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Versión original

Kai Meyer

El Templo #17 (agosto 2010)
Por Cris Menéndez
5.808 lecturas

© Horst FriedrichsIhre Hauptpersonen sind meistens junge Frauen oder Mädchen. Was ist das schwierigste, für Sie als Mann aus der Sicht einer Frau zu schreiben? Welche Figur liegt Ihnen speziell am Herzen und warum?

Ist es schwierig, aus der Sicht einer Frau zu schreiben? Ich empfinde das gar nicht so. Letztlich bedeutet Schreiben, sich von morgens bis abends in fremde Personen hineinzudenken – und ob es sich dabei um einen Außerirdischen, einen Auftragskiller, einen Priester oder eben eine Frau handelt, sollte dabei keine große Rolle spielen. Ich muss mich selbst mehr oder minder ausblenden und – so gut es eben geht – eins mit der entsprechenden Figur werden.

Bei Rosa Alcantara, der Protagonistin von ARKADIEN ERWACHT und ARKADIEN BRENNT, funktionierte das nach den ersten paar Seiten völlig problemlos. Ich habe mich bemüht, sie gleich im ersten Kapitel durch ihre Handlungen so klar zu definieren, dass ich danach – auch nach Schreibpausen – nur den Romanbeginn noch einmal lesen musste, um sofort wieder in ihrer Denkweise, in ihrer Sicht der Welt zu schlüpfen. Rosa ist dabei zu einer meiner Lieblingsfiguren geworden, neben Aura Institoris, der Heldin meiner Bücher DIE ALCHIMISTIN und DIE UNSTERBLICHE.

Ihre Bücher haben oft einen historischen Hintergrund mit fantastischen Elementen oder sie benutzen Märchen und Sagen, präsentieren diese in eigener Interpretation, wie zum Beispiel "Frostfeuer", "Loreley", "Arkadien erwacht", "Merle". Suchen Sie immer Inspiration in populären Quellen?

Mythen und populäre Quellen sind ja zwei grundverschiedene Dinge. Die meisten Menschen kennen sich mit Mythen und Sagen nicht mehr besonders gut aus. Sie haben mal von dieser Figur gehört oder von jener Geschichte – aber das weltweite Gut an Mythologie und Märchen ist so ungeheuer groß und gerät in der breiten Masse leider auch immer mehr in Vergessenheit, so dass kaum jemand noch einen umfassenden Überblick besitzt. Heutzutage sind populäre Mythen vor allem jene, die Hollywood gerade wieder einmal aufbereitet.

Ich habe lange Zeit viel Literatur über Mythenforschung gelesen, angefangen bei Joseph Campbell über C.G. Jung bis zu Mircea Eliade, den ich immer besonders mochte. Einiges davon ist in meine Bücher eingeflossen, wobei ich keine Skrupel habe, die überlieferten Mythen zu verändern und auszubauen. Der Arkadien-Mythos etwa, so wie ich ihn einsetze, ist eine Mischung aus allen möglichen Quellen, von der konkreten Arkadien-Dichtung bis hin zur Atlantislegende.

 

Im Moment kann ich Ihnen via Twitter und Facebook folgen. Sie aktualisieren regelmässig mit Nachrichten und Neuigkeiten und ihre Figur, Rosa Alcantara, hat ihr eigenes Blog und eigenen Facebook-Account. Welchen Nutzen sehen Sie im Einsatz dieser web 2.0 Werkzeugen in der Promotion von Büchern gemacht? Wie sind Ihre Erfahrungen?

Ich habe recht früh angefangen zu bloggen – im Jahr 2003 -, habe mich aber lange gegen die Social Networks wie Facebook gesträubt. Erst als ich durch die Promotion zu ARKADIEN ERWACHT begriffen habe, wie populärdiese Netzwerke sind, habe ich selbst angefangen, Facebook zu nutzen. Mit dem Twittern habe ich schon etwas früher begonnen, mehr oder minder aus einer Laune heraus, und beides hat schnell eine ziemliche Sogwirkung auf mich ausgeübt. Gerade Facebook finde ich mittlerweile endlos faszinierend, weil der Kontakt zu meinen Lesern schlagartig ungeheuer eng geworden ist. Plötzlich weiß ich ziemlich genau, wer meine Bücher liest, für wen ich überhaupt schreibe  - abgesehen von mir selbst, natürlich; der Autor steht als sein eigener Leser ja immer noch an erster Stelle. Und man sollte die Mundpropaganda in den Social Networks nicht unterschätzen, Neuigkeiten oder auch Begeisterung für etwas verbreiten sich in Sekundenschnelle.

In Spanien gibt es häufig Debatten über die heutige Jungend, die nicht mehr liest. Wie denken Sie darüber? Was fasziniert Sie am Zielpublikum Jungendliche gegenüber erwachsenen Lesern?

Beim Schreiben denke ich nicht an das Alter meiner Leser, zumal sich bei mir sehr deutlich abzeichnet, dass meine Bücher quer durch alle Altersgruppen gelesen werden. Der Großteil mag zwischen 15 und 30 sein, weiblich, mit einem gewissen Bildungsgrad – aber wenn ich mir das als Zettel an den Monitor kleben würde, müsste ich permanent jeden Satz oder jede Ansicht meiner Charaktere in Frage stellen. Darf eine 17jährige Heldin auch einmal die Meinung des 40jährigen Autors vertreten, selbst wenn eine reale 17jährige vielleicht noch nie einen Gedanken an diesen einen Punkt verschwendet hat? Natürlich darf sie das. Entsprechend blende ich das Alter der Leserinnen vollkommen aus.

Unabhängig davon halte ich Jugendliche für das schönste Publikum überhaupt. Als Kinder und Teenager haben wir uns alle noch völlig in Büchern verlieren können, die fiktive Welt hatte einen ganz anderen Stellenwert, war greifbarer und in gewisser Weise noch eine echte Alternative zur Realität. Als Erwachsener liest man selektiver, oft auch unaufmerksamer. Aber die Welten der Bücher, die ich als Jugendlicher gelesen habe, sind für mich auch heute noch ungeheuer präsent. Wenn ich durch bestimmt Straßen des Ortes gehe, in dem ich aufgewachsen bin, dann erwachen in mir unbewusst an vielen Ecken oder Gebäuden Erinnerungen an die Geschichten, die ich damals gelesen oder in Filmen gesehen habe. Vor meinem ehemaligen Kleinstadtkino gab es einen Fahrradständer – immer wenn ich auch später noch daran vorbeigekommen bin, war ich im Kopf wieder acht Jahre alt und hatte gerade STAR WARS gesehen. Wenn ich damals nach solchen Filmen aus dem Kino kam, wurde mein Fahrrad für mich im Kopf zu einem Raumschiff. Und diese Erinnerungen und Empfindungen sind noch heute da, vielleicht nostalgisch eingefärbt, aber trotzdem sehr deutlich – und der Gründ dafür ist die intensive Prägung, die wir als Kinder und Teenager durch Geschichten erfahren.

 

Es wird viel mehr englisch sprechende Schriftstelle ins Spanische übersetzt als deutsche. Es gibt wenige Bücher von deutschen Autoren in Spanien. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Was müsste geschehen, damit sich dies ändert?

Das ist kein spanisches, sondern ein weltweites Problem. Wobei ich das Gefühl habe, dass sich die Dominanz englischsprachiger fiction allmählich ein wenig zersetzt. In Deutschland war die Unterhaltungsliteratur jahrzehntelang komplett fremdbestimmt, es gab nur eine Handvoll deutscher Autoren, die von Verlagen und Publikum akzeptiert wurden. Mittlerweile stehen einheimische Thriller- und Phantastik-Autoren regelmäßig auf den vorderen Plätzen unserer Bestsellerlisten und es werden auch immer mehr dieser Bücher in andere Sprachen übersetzt. Meine eigenen Bücher sind in über vierzig Ländern erschienen, in rund dreißig Sprachen, und das war noch vor zwanzig Jahren völlig undenkbar. Mein Roman DIE VATIKAN-VERSCHWÖRUNG stand wochenlang in Spanien auf der Bestsellerliste für historische Romane, DIE ALCHIMISTIN soll noch in diesem Jahr bei Boveda erscheinen. Das ist schon mal ein schöner Anfang, finde ich.

Welche Bücher haben Sie in Ihrer Karriere am meisten beeinflusst? Haben sie auch spanische Autoren gelesen?

Den Ausschlag hat – wie bei so vielen – Tolkiens HERR DER RINGE gegeben. Ich habe die Trilogie mit elf oder zwölf gelesen und beschlossen: So etwas möchte ich auch mal machen. Gleich danach habe ich mich hingesetzt und meine erste Kurzgeschichte geschrieben. Später kamen dann viele andere Autoren hinzu, verschiedene Genres, die unterschiedlichsten Einflüsse. Ich hatte mal eine Phase, in der ich sehr viel Borges gelesen habe, mit Mitte, Ende Zwanzig. Und DER CLUB DUMAS von Arturo Pérez-Reverte war auf jeden Fall eine Inspiration für DIE VATIKAN-VERSCHWÖRUNG.

Vor einigen Jahren ist die Realisierung einer Zeichentrickfernsehserie über die Merle-Trilogie aus finanziellen Gründen leider gescheitert. Wenn sich die Möglichkeit wieder bieten würde, welches ihrer Bücher würden Sie am liebsten im Kino oder Fernsehen sehen?

Realistisch betrachtet sind viele meiner Bücher aus ökonomischen Gründen unverfilmbar. Kein europäischer Produzent könnte ein Budget für eine Verfilmung der Merle-Trilogie oder DIE WELLENLÄUFER auf die Beine stellen. Anders sieht es mit ARKADIEN ERWACHT oder DIE VATIKAN-VERSCHWÖRUNG aus. Als mein Roman DAS GELÜBDE verfilmt wurde, hat das von der ersten Planung bis zur Realisierung rund acht Jahre gedauert – ich bleibe also geduldig und warte ab, was oder ob überhaupt etwas mit einem dieser Bücher geschieht.

In Spanien sind 9 von Ihren rund 50 Büchern veröffentlicht worden. ARKADIEN ERWACHT ist im deutschsprachigen Raum ein Erfolg. Denken Sie, dass dieses Buch auch bald auf Spanisch erscheinen wird?

Boveda, für die ich kürzlich erst auf der Buchmesse in Madrid und zu einem Auftritt in Sevilla war, scheinen eher an meinen Büchern für Erwachsene Interesse zu haben. Aber wenn sie oder ein anderer Verlag sich an die ARKADIEN-Romane wagen, würde mich das sehr freuen.

  © Trickompany